Interview mit Torsten Schein (DB Energie GmbH)
19. Februar 2020
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Torsten Schein, Vorsitzender der Geschäftsführung DB Energie GmbH und Mitglied des Vorstandes im Forum für Zukunftsenergien, mit Blick auf das Engagement der DB Energie im Rahmen von „ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2020“ am 10. und 11. März 2020
Dr. Annette Nietfeld: Wenn
es um die Energie- und Verkehrswende geht, kommt die Gesellschaft an der
Deutschen Bahn (DB) nicht vorbei. Auf der einen Seite soll mehr Verkehr von der
Straße auf die Schiene verlagert werden und auf der anderen Seite hat sich der
Konzern das Ziel gesetzt, bis 2050 CO2-neutral zu sein. Die DB kann damit
gleich doppelt einen sichtbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn die Energie-
und Verkehrswende miteinander in Einklang gebracht werden.
Warum ist es bei der DB so wichtig, dass Energie-
und Verkehrswende Hand in Hand gehen?
Torsten Schein: Die DB
orientiert sich mit ihrer neuen Strategie „Starke Schiene“ an den verkehrs- und
klimapolitischen Zielen des Bundes. Im Ergebnis wird dies eine Verdopplung der
Reisendenzahlen im Schienenpersonenverkehr mit sich bringen. Hinzu kommen eine
Erhöhung des Anteils der Schiene am Güterverkehr auf 25 Prozent sowie 30
Prozent mehr Kapazität in der Infrastruktur. Und mit der Zielgröße 100 Prozent
Anteil erneuerbarer Energien hat sich die DB ein weiteres ambitioniertes Ziel
gesetzt.
Die DB ist bereits heute der größte
Energieverbraucher und Abnehmer von Grünstrom in Deutschland. Wenn nun im Zuge
der Verkehrswende mehr Personen und Güter auf der Schiene transportiert werden
sollen, so wird auch der Energiebedarf weiter zunehmen. Um eine sichere
Energieversorgung zu gewährleisten, müssen diese beiden Bereiche eng miteinander
synchronisiert werden. Hinzu kommt, dass eine Verkehrsverlagerung auf die
Schiene für den Klimaschutz nur dann einen effektiven Nutzen hat, wenn die
Energie für den Zugbetrieb aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Ganz im
Sinne der Konferenz „ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2020“ ist hier eine echte Konvergenz
der beiden Themen notwendig.
Dr. Annette Nietfeld: Die DB hat sich zum Ziel gesetzt,
bis 2038 den Anteil von Erneuerbaren Energien am Bahnstrom für den elektrifizierten
Schienenverkehr auf 100 Prozent zu steigern. Dieser Zeitpunkt fällt mit dem
politisch gesetzten Zeitpunkt für das Ende der Kohleverstromung zusammen. Insofern
passt das gut zusammen. Aber wie deckt die DB dann zukünftig Ihren hohen Bedarf
an Erneuerbaren Energien?
Torsten Schein: Die DB
Energie wird konsequent den bereits begonnenen Weg fortsetzen und sich
schrittweise von den vorhandenen fossilen Kraftwerksverträgen trennen. Im Gegenzug
bauen wir ein breites Grünstromportfolio
auf, das uns je nach aktueller technologischer und wirtschaftlicher Situation
ein flexibles Handeln ermöglicht. Wir nutzen insbesondere unterschiedlichste
Beschaffungswege und steigern unter anderem damit unsere Attraktivität als
großer Stromabnehmer. Neben den Instrumenten eines Handelsbezugs und direkten
bilateralen Verträgen (PPA) sind wir auch ganz neue Wege über eine EU-weite
Ausschreibung von Rahmenverträgen für die Belieferung mit Erneuerbaren Energien
gegangen. Wir sind überzeugt, dass uns dieser Weg bis 2038 zum Ziel führen
wird.
Dr. Annette Nietfeld: Können Sie dazu ein paar konkrete Beispiele nennen?
Torsten Schein: Das
jüngste Beispiel ist der Abschluss eines Vertrages zur direkten Einspeisung von
Solarstrom in das Bahnstromnetz im schleswig–holsteinischen
Wasbek. Über den neu errichteten Solarpark mit einer Leistung von 42 MW werden
wir zukünftig rund 38 GWh Grünstrom pro Jahr beziehen. Bereits in 2019 haben
wir einen Vertrag geschlossen, über den der Offshore-Windpark „Nordsee Ost“ ab
2024 über 5 Jahre mit rd. 80 GWh p.a. zur Deckung des Strombedarfs im
Bahnstromnetz beitragen wird. Und nicht zu vergessen sind unsere bestehenden Lieferverträge
mit Laufwasserkraftwerken in Deutschland, die bereits heute einen wesentlichen
Beitrag zu dem Erneuerbaren Energien-Anteil von 60 Prozent in 2019 beitragen.
Dr. Annette Nietfeld: Sie
haben eben die Direkteinspeisung von Solarstrom in das Bahnstromnetz erwähnt. Welche
technologischen Besonderheiten bei der Einspeisung von Erneuerbaren Energien
für den Bahnstrom gilt es zu berücksichtigen?
Torsten Schein: Die bestehende
Infrastruktur des Bahnstromnetzes muss auf die zunehmend dezentrale Einspeisung
von Erneuerbaren Energien ausgerichtet werden. Heute haben wir einige wenige
große Kraftwerke, die das Bahnstromnetz versorgen. Zukünftig werden diese im
Zuge der Erhöhung des EE-Anteils durch viele kleine Erzeugungsanlagen für Grünstrom
abgelöst werden. Hierfür müssen wir die entsprechenden technologischen
Voraussetzungen, z. B. mit zusätzlichen Umrichtern, schaffen. Auch hier ist es
wichtig, dass wir technologisch flexibel bleiben und unterschiedliche
Einspeisungswege ermöglichen. Neben einer Direkteinspeisung in das
Bahnstromnetz werden wir z. B. auch weiterhin den Weg über die Einspeisung aus
dem öffentlichen Netz gehen. Neben den flexiblen Beschaffungswegen trägt auch
das dazu bei, dass wir den Kreis der potenziellen Grünstromlieferanten
möglichst groß machen.
Dr. Annette Nietfeld: Der Einsatz
von Wasserstoff wird von Politik und Wirtschaft in breitem Konsens als eine
Schlüsseltechnologie im Rahmen der Energiewende gesehen. Welche Rolle spielt
der Wasserstoff für die Energieversorgung bei der DB?
Torsten Schein: Mal
abgesehen davon, dass auch wir den Wasserstoff als eine wichtigen
technologischen Ansatz zur Speicherung von Erneuerbaren Energien (Stichwort
P-2-X) sehen, spielt er ganz konkret im Schienenverkehr eine zunehmende Rolle beim
Ersatz von Dieselschienenfahrzeugen. Bislang sind in Deutschland nur knapp über
60 Prozent des Schienennetzes durch Oberleitungen elektrifiziert. Auf den
elektrifizierten Strecken wird zwar rund 90 Prozent der Verkehrsleistung
erbracht, aber der SPNV wird in großen Teilen noch mit Dieselfahrzeugen
betrieben. Da eine vollständige Elektrifizierung des Streckennetzes erst in
einem sehr langen Zeithorizont realistisch umsetzbar und in vielen Fällen gar nicht
wirtschaftlich sinnvoll wäre, sind hier alternative Antriebstechnologien gefragt.
Und Wasserstoffantriebe sind neben Batterieantrieben und synthetischem Diesel
eine der technologischen Lösungen, die von den Fahrzeugherstellern und der DB
vorangetrieben werden. Wir als DB Energie entwickeln dafür die benötigten
Betankungs- und Ladeinfrastrukturen und setzen diese zusammen mit DB Netz und
den Aufgabenträgern des SPNV um.
Dr. Annette Nietfeld: Was erwarten
Sie von der zur Zeit in der Ressortabstimmung befindlichen Wasserstoffstrategie
der Bundesregierung?
Torsten Schein: Vergleichbar
zur Frage nach der Beschaffung synthetischen Diesels wird auch die schnelle
Verfügbarkeit von ausreichend großen Mengen an Wasserstoff ein kritischer
Erfolgsfaktor sein. Die Wasserstoffstrategie kann und muss hier entsprechend
attraktive Rahmenbedingungen schaffen, um die notwendigen Impulse für die technologische
Entwicklung und Markteinführung zu schaffen. Die notwendigen regulatorischen
Bedingungen für grünen Wasserstoff sind heute nicht gegeben. Nur wenn die Produktion
und der Einsatz von grünem Wasserstoff für alle Beteiligten wirtschaftlich sinnvoll
ist, wird ein schneller Hochlauf realistisch sein.
Dr. Annette Nietfeld: Lassen
Sie uns nun noch einmal einen Blick auf den Aspekt der Verkehrsverlagerung
werfen.Im Rahmen des
Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf die
Ticketpreise der Deutschen Bahn gesenkt. Sie hat das getan, um mehr
Verkehrsteilnehmer dazu zu veranlassen, auf die Bahn umzusteigen. Wird das als
Anreiz ausreichen?
Torsten Schein: Ein
attraktiver Preis ist aus Sicht spezifischer Kundengruppen sicherlich ein
entscheidender Anreiz. Das alleine wird aber aus meiner Sicht nicht ausreichen,
um das volle Ausmaß der angestrebten Verkehrsverlagerung zu erreichen. Während bei
manchen Kunden der Preis wichtig ist, stehen bei anderen Kunden z. B. primär
schnelle, zuverlässige Verbindungen mit einer guten Anschlussmobilität und
ansprechende Qualität im Vordergrund. Gerade in diese Themen wurde bereits in
den vergangenen Jahren viel investiert und darauf wird auch zukünftig ein Fokus
liegen. Und zuletzt spielt in der Gesellschaft der Aspekt der Nachhaltigkeit
der Mobilität eine zunehmende Rolle. Die Bahn ist bereits heute in Hinsicht
klimafreundlichem Verkehr im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern in führender
Position. Mit zunehmender Vergrünung der DB wird auch hier ein weiterer Anreiz
zum Umstieg auf die Bahn entstehen.
Dr. Annette Nietfeld: Die
heutige Infrastruktur der DB ist ja bereits durch den heutigen Schienenverkehr an
der Kapazitätsgrenze angelangt. Ist unter diesem Aspekt eine signifikante
Verkehrsverlagerung auf die Schiene überhaupt realistisch?
Torsten Schein: Eine
massive Verkehrsverlagerung wird natürlich nicht von heute auf morgen möglich
sein, das ist ein längerer Weg, für den man einen langen Atem braucht. Mit
ihrer Wachstumsstrategie ‚Starke Schiene‘ gibt die DB die Antwort, die es für
diesen Weg braucht. Der Schlüssel heißt mehr Kapazität: Es wird in diesem
Jahrzehnt so viel in die Erneuerung und den Ausbau des Bestandsnetzes
investiert wie nie zuvor, um weitere Kapazität zu schaffen und die Qualität zu
steigern. Allein im Jahr 2020 werden 12,2 Milliarden Euro in die Modernisierung
der Eisenbahninfrastruktur fließen. Und bis 2030 stehen in Summe rund 170
Milliarden aus Mitteln des Bundes sowie aus Eigenmitteln für Investitionen in
die Infrastruktur zur Verfügung. Einen weiteren Beitrag zur
Kapazitätssteigerung wird die konsequente Digitalisierung der Infrastruktur leisten,
wie sie durch die eigens dafür aufgesetzte Organisationseinheit Digitale
Schiene Deutschland GmbH vorangetrieben wird.
Dr. Annette Nietfeld: Im
Rahmen der Konferenz „ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2020“ werden Sie einen Vortrag zum
Thema „Energie- und Mobilitätswende bei der Deutschen Bahn“ halten und in einer
der Sessions werden wir außerdem etwas über die Ideen der Deutschen Bahn zu
nachhaltigen Logistikkonzepten erfahren. Worauf werden sich die Teilnehmer
dieser Konferenz mit Blick auf diese Themen freuen dürfen?
Torsten Schein: In
meinem Vortrage werde ich ausführlicher unseren Weg als DB Energie aufzeigen,
wie bei gleichzeitig steigenden Anforderungen durch die Verkehrswende die Ziele
der DB hinsichtlich einer vollständig grünen Energieversorgung erreicht werden
können. Dies greift dann nicht nur die oben bereits angerissenen Punkte der Vergrünung
des eigentlichen Schienenverkehrs auf, sondern berücksichtigt auch die
wichtigen Aspekte der Wärmewende und Vergrünung von stationärer Energie in
Bahnhöhen, Werken und anderen Liegenschaften der DB. Zuletzt spielt auch eine
durchgängig grüne Mobilitätskette, die die Straße mit einbezieht, eine Rolle.
Hierzu können wir als DB Energie mit Bereitstellung von Ladeinfrastruktur an
Mobilitätsknotenpunkten einen Beitrag leisten. In der Session „Mobilität“ wird
dann ein Kollege aus Sicht eines Logistikers einen Blick auf nachhaltigen
Transport auf der Straße richten. Neben alternativen Antrieben für LKW und
Transporter sind hier auch ganz neue Logistikkonzepte gefragt, die die
unterschiedlichen Anforderungen des Transports im urbanen Umfeld und auf langen
Strecken berücksichtigt.
Dr. Annette Nietfeld: Das
klingt sehr interessant und die Besucher dürfen in der Tat gespannt sein. Was
erwarten Sie sich selbst von „ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2020“?
Torsten Schein: Wie
bereits dargelegt, müssen Energie- und Verkehrswende Hand in Hand gehen, um
erfolgreich zu sein. Dazu ist es von zentraler Bedeutung, die unterschiedlichen
Akteure an einen Tisch zu bringen und diese Themen übergreifend zu diskutieren.
Mit den Vortragenden und Teilnehmern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft
über verschiedene Branchen hinweg bietet die Konferenz hierfür eine gute
Plattform für uns. Von daher freue ich mich auf diese Dialogmöglichkeit und
hoffe, dort auf viele interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu treffen.