Zur Vorbereitung der ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2024 sprach Johann Terres vom Forum für Zukunftsenergien e.V. mit Dr. Werner Götz, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von TransnetBW.
Johann Terres: Herr Dr. Götz, Sie sind Vorsitzender der Geschäftsführung von TransnetBW, bitte stellen Sie uns kurz die TransnetBW vor. In welchen Geschäftsfeldern sind Sie aktiv?
Dr. Werner Götz: Mobilität und Energieversorgung sind mitten in einem beispiellosen Wandel. Deutschland ist aus der Kernenergie ausgestiegen und spätestens 2038 werden wir auch aus der Kohle aussteigen. Bis 2045 muss Deutschland klimaneutral sein. Das gelingt nur mit der Kraft von Wind, Sonne und Wasser. Wir bei TransnetBW sorgen dafür, dass die erneuerbaren Energien dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Als Betreiberin des Übertragungsnetzes im Südwesten Deutschlands sichern wir die Stromversorgung im Land. Anlagenbetrieb und Systemführung sorgen damit für die Systemsicherheit im Land.
Mit unseren Netzbauprojekten – Basis ist hier der Netzentwicklungsplan – sowie Innovationen im Netzbereich schaffen wir von TransnetBW zusammen mit unseren Partnern die Infrastruktur der Energiewende. Und mit unserer StromGedacht-App kann jede und jeder ein Teil der Energiewende sein, beispielsweise indem man seinen Stromverbrauch in Zeiten verschiebt, in denen besonders viel erneuerbare Energien im Stromnetz zur Verfügung stehen – ein starkes Signal für Teilhabe und persönliche Verantwortung. Damit treiben wir die Energiewende voran.
Johann Terres: Sie werden auf der ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2024 zum Netzausbau sprechen. Warum ist der weitere Netzausbau so wichtig und mit welchen Herausforderungen sehen sich Netzbetreiber wie Ihr Haus aktuell und in Zukunft konfrontiert?
Dr. Werner Götz: Bereits jetzt und in Zukunft wird viel Windenergie aus dem Norden in die Verbrauchszentren im Süden und Westen transportiert. Das führt dazu, dass die Transportkapazitäten im Stromnetz regelmäßig nicht ausreichen. In diesen Situationen müssen unsere Systemführungsingenieure nahezu täglich in den Netzbetrieb eingreifen – wir sprechen hierbei von Engpassmanagement und Redispatch. 2022 hat dieses Engpassmanagement bundesweit 4,2 Milliarden Euro gekostet – verlorenes Geld. Die damit verbundenen hohen Kosten lassen sich reduzieren, wenn der Netzausbau die Übertragungskapazität erhöht und neue Kraftwerkskapazitäten an netzdienlichen Standorten entstehen, also nicht vor, sondern hinter einem potenziellen Engpass.
Wir bei TransnetBW setzen uns dafür ein, die Kosten der Energiewende so gering wie möglich zu halten. Deshalb haben wir das Neubau-Vorschuss-Konzept entwickelt, mit dem neue Kraftwerke dort angereizt werden, wo sie Redispatch-Kosten vermeiden. Auf der ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2024 werde ich weiter dafür werben, dass die Bundespolitik dieses Konzept aufgreift und zügig umsetzt.
Johann Terres: Was braucht es in Ihren Augen, damit der Netzausbau in Deutschland schneller und vor allem besser gelingen kann?
Dr. Werner Götz: Der Netzausbau ist das Rückgrat der Energiewende. Und Geschwindigkeit ist der Maßstab, der uns treibt. Ende 2023 hat der Deutsche Bundestag für neue Stromleitungs-Projekte, die von der Bundesnetzagentur genehmigt werden, ein verschlanktes Genehmigungsverfahren beschlossen. Anders als bisher entfällt die langwierige Bundesfachplanung – wir Übertragungsnetzbetreiber müssen keine geeigneten Räume mehr für einen Trassenverlauf suchen. Stattdessen hat die Bundesnetzagentur einen fünf bis zehn Kilometer breiten Präferenzraum entwickelt.
Zusammen mit 50Hertz und TenneT nutzen wir diese neue Möglichkeit bereits. Gemeinsam realisieren wir in Kooperation StromNetzDC vier neue Gleichstrom-Projekte, die das deutsche Übertragungsnetz bereit machen für eine klimaneutrale, sichere Energieversorgung. Mögliche erste Verläufe stellen wir bereits seit Anfang Februar 2024 in vielen öffentlichen Informationsveranstaltungen vor und sammeln Hinweise aus der Bevölkerung. Und noch in diesem Jahr werden wir die offiziellen Planfeststellungsverfahren einleiten. Daneben treiben wir unseren Gleichstrom-Projekte Ultranet und SuedLink konsequent voran, erweitern und modernisieren viele bestehende Stromleitungen und Umspannwerke und flexibilisieren parallel unseren Netzbetrieb.
Mir ist bewusst: Das wird noch einmal ein großer Kraftakt für alle Akteure in Politik, Gesellschaft und Industrie. Denn wenn es schneller gehen soll, müssen wir alle Verantwortung wahrnehmen. Mir ist dabei wichtig, dass die Beschleunigung nicht zu Lasten des Dialogs mit der Öffentlichkeit und nicht zu Lasten der Transparenz unserer Planungen geht.
Johann Terres: Abseits davon, welche Erwartungen haben Sie an die Politik und insbesondere an die Ampelregierung der zweiten Halbzeit?
Dr. Werner Götz: Die Politik muss sich weiter konsequent zur Energiewende bekennen – unabhängig vom Parteibuch, denn nur mit der Energiewende werden wir die deutschen Klimaziele erreichen können. Wenn die Kostendimension nicht wo immer möglich reduziert wird, gefährden wir in meinen Augen die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende. Hierzu haben wir im August 2023 einen sehr konkreten Vorschlag gemacht: den Wegfall des gesetzlichen Erdkabel-Vorrangs für Gleichstromtrassen. Damit ließen sich mehr als 20 Milliarden Euro volkswirtschaftlich einsparen!
Außerdem begrüße ich, dass die Bundesregierung kürzlich die Kraftwerksstrategie vorgestellt hat. Das ist ein erster wichtiger Schritt, der aber leider noch viele Fragen offenlässt. Ich persönlich freue mich, dass ein konkreter Zeitplan vorgestellt wurde, denn der Neubau wasserstofffähiger Kraftwerkskapazitäten drängt. Bei der Strategie bleibt die Menge an gesicherter Leistung aber hinter unseren Erwartungen zurück. Daher ist es umso wichtiger, dass die jetzt angestrebten viermal 2,5 Gigawatt schnell an den richtigen Standorten, nämlich vorwiegend im Süden, entstehen. Wie regional systemdienliche Anreize unkompliziert geschaffen werden können, haben wir im bereits genannten Neubau-Vorschuss- Konzept skizziert.