Interview mit Dr. Joachim Lohse

Zur Vorbereitung der ENERGIE.CROSS.MEDIAL am 5. & 6. März sprach Johann Terres mit Dr. Joachim Lohse, dem Geschäftsführer des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss.

Dr. Joachim Lohse: Von zentraler Bedeutung für die Immobilienwirtschaft ist die Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie (Energy Performance of Buildings Directive – EPBD), die sich gerade in der Endphase des Trilog-Verfahrens befindet. Der Kommissionsvorschlag basierte zu Recht auf den Grundgedanken, dass der Gebäudesektor fast 40 Prozent der europäischen CO2-Emissionen verursacht und dass der größte Hebel bei den energetisch ineffizientesten Gebäuden angesetzt werden kann “worst-first‘-Ansatz“. Daraus leitete die Kommission Mindestziele (Minimum Energy Performance – MEPS) ab, bis zu welchem Effizienzniveau die Gebäude bis zu einem Stichtag saniert sein müssen. Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag wurde dann vom Parlament teilweise noch verschärft. Das hatte klimapolitisch durchaus seine Logik, hätte aber in Bezug auf die diskutierten Zieljahre und Zielniveaus vielfach zu einer Überforderung zahlreicher Akteurinnen und Akteure geführt. Auf der Basis von EU-Kommissions- und Parlamentsentwurf wäre in 2030 oder 2033 ein riesiges Umsetzungs- und Vollzugsdefizit entstanden. Denn Sanktionen wie ein absolutes Vermietungs- und Vermarktungsverbot, wie es einigen Akteur:innen für den Fall ausbleibender Sanierungen wohl vorschwebte, wäre angesichts einer Größenordnung von vermutlich 15 bis 25 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes niemals durchsetzbar gewesen.

Dr. Joachim Lohse: Auf Intervention des Ministerrates wurden die Ziele für Wohngebäude inzwischen so sehr verwässert, dass ihre Erreichung im Grunde überhaupt nicht mehr überprüfbar sein wird: Die Mitgliedsstaaten sollen die ineffizientesten 43 Prozent ihrer Gebäude identifizieren, und diese dann zu 55 Prozent sanieren … im Grunde nichts anderes als ein Appell an den freiwilligen Goodwill der Mitgliedsstaaten, sich dieser Aufgabe in irgendeiner Weise anzunehmen. Bei den Nichtwohngebäuden ist der letzte Stand, dass der MEPS-Ansatz weitgehend erhalten bleiben soll, mutmaßlich unter Einräumung gewisser Spielräume in Problemfeldern. Dann wäre wenigstens hier ein konkreter Impuls für den Klimaschutz gesetzt.

Dr. Joachim Lohse: Die wichtigsten Schritte werden sein: erstens die Schaffung einer nationalen Gebäudedatenbank, um die ineffizientesten 43 Prozent überhaupt identifizieren und deren Sanierungserfolg monitoren zu können. Dies muss – zweitens –  begleitet werden von einer Reform der Energieausweise, die bislang häufig nur von geringer Aussagekraft sind. Und das Ganze muss weiterhin durch Förderprogramme flankiert werden, um soziale Verwerfungen, auch Insolvenzen von Wohnungsunternehmen, zu vermeiden.

Johann Terres: Welche Erwartungen hat der Immobiliensektor an die neue EU-Kommission?

Dr. Joachim Lohse: Es müssen zahlreiche EU-Richtlinien und -Verordnungen überarbeitet werden, die einander gegenwärtig diametral entgegenstehen. So konterkarieren die Regeln für nachhaltige Geldanlagen, wie z.B. die Taxonomie, vollständig den ‚worst-first‘-Ansatz der EPBD. Denn sie honoriert für Bestandshalter nur die Kapitalanlage in Gebäude, die bereits energetisch optimiert sind. Für den Klimaschutz viel bedeutsamer ist jedoch die überdurchschnittliche Verbesserung von energetisch ineffizienten Bestandsimmobilien, selbst wenn dabei nicht ganz das absolute Top-Niveau, welches im Grunde nur im Neubau erzielbar ist, erreicht wird. Hier braucht es einen dynamischeren Ansatz, um wirklich die Transformation zu befördern. Anderenfalls droht ein Szenario, in dem seriöse Eigentümer(innen), die individuell für sich einen „grünen“ Gebäudebestand anstreben, genötigt werden, die nicht mit vertretbarem Aufwand auf ein absolutes Top-Niveau sanierbaren Gebäude zu veräußern. Aufkäufer:innen wären womöglich Hazardeure, die gar nicht daran denken die Gebäude zu sanieren, sondern diese vielmehr in unsaniertem Zustand so lange weiterhin vermieten wollen, wie sich dies noch irgendwie aufrechterhalten lässt. Anstelle einer flächendeckenden Transformation des Gebäudebestandes entstünde so letzten Endes eine riesige ‚bad bank‘ von Schrottimmobilien, die im Grunde nur noch in großem Stil abgerissen werden können.

Ebenfalls dringend überarbeitet werden müssen die ausufernden Berichtspflichten und Instrumente zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Immobilien. Denn hier werden unter verschiedenen Regelwerken jeweils mehrere hundert, zum Teil ganz unterschiedliche Datenpunkte abgefragt, deren Erhebung einen immensen Aufwand verursacht, während die berichteten Werte für die jeweiligen Empfänger(innen) kaum mehr interpretierbar sind. Wenn dann noch jeder einzelne Wert über geeichte Messmethoden manipulationssicher ermittelt und anschließend durch unabhängige Dritte validiert werden soll, entsteht ein Paradies für Auditoren:innen  und Wirtschaftsprüfer:innen, das für die Immobilienwirtschaft zunehmend unbezahlbar wird, ohne dass für die Nachhaltigkeit irgendetwas gewonnen wäre.

Als Drittes zu nennen ist hier die Weiterentwicklung des europäischen Emissionshandels (ETS II), der ja mittelfristig die zentrale Steuerungsfunktion für verringerte Treibhausgasemissionen übernehmen soll, wodurch ordnungsrechtliche Ansätze wie die EPBD langfristig an Bedeutung verlieren werden.

Unsere wichtigste Erwartung an die neue EU-Kommission: Lasst uns mehr miteinander sprechen! Der Immobiliensektor ist bereit, seinen Beitrag zur klimagerechten Transformation des Gebäudebestandes zu leisten. Dafür braucht es rational abgeleitete Ziele und realistische Zeitrahmen, die ambitioniert aber nicht unerreichbar sind. Und es braucht vor allem: mehr Richtungssicherheit, Planbarkeit und Verlässlichkeit seitens der Politik.

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