Zur Vorbereitung der ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2024 sprach Johann Terres, Praktikant im Forum für Zukunftsenergien e.V., mit Dr. Timm Kehler, Geschäftsführer von Zukunft Gas e.V.
Johann Terres: Herr Dr. Kehler, Sie sind Vorstand von Zukunft Gas, bitte erläutern Sie uns die Aktivitäten Ihres Hauses und welche Ziele Sie verfolgen.
Dr. Timm Kehler: Zukunft Gas ist die Stimme der Gas- und Wasserstoffwirtschaft. Wir engagieren uns aktiv für ein klimaneutrales und resilientes Energiesystem. Zusammen mit unseren Mitgliedsunternehmen gestalten wir die Erzeugung, den Import, den Transport, die Speicherung, die Verteilung und den Vertrieb neuer Gase nachhaltig und zukunftssicher. Gleichzeitig treiben wir aktiv die Transformation unserer Branche voran. Unser Ziel ist es, für Gas als Grundlagenenergie sowie für neue Gase wie Wasserstoff, seine Derivate und Biomethan zu werben. Besonders für ein resilientes, widerstandsfähiges und klimaneutrales Energiesystem spielen diese neuen Gase eine wichtige Rolle, da mit ihrer Hilfe erneuerbare Energien gespeichert, transportiert und jederzeit in Deutschland bereitgestellt werden können. Zusätzlich ermöglichen sie es zukünftig, Erdgas dort zu ersetzen, wo eine Elektrifizierung nur schwer möglich ist und wo Gas das gesamte Energiesystem stärkt. Wichtig ist uns, einen offenen Markt für klimafreundliche Technologien zu fördern.
Johann Terres: Auf der ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2024 werden Sie auf unserem Podium zur Ampelregierung der zweiten Halbzeit sprechen. Ganz allgemein: Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit der aktuellen Bundesregierung?
Dr. Timm Kehler: Insgesamt zeichnet sich die bisherige Arbeit der Bundesregierung durch einen Mix aus Erfolgen und Misserfolgen aus. Sie hat in den zwei letzten Jahren erfolgreich auf verschiedene Krisen reagiert und sich als handlungsfähig erwiesen. Im Zuge der Energiekrise hat die Bundesregierung einen Schnellkurs in Realpolitik absolviert und gelernt, wie sie in der derzeitigen politischen Landschaft agieren muss, um zeitnah auf aktuelle Themen und Herausforderungen zu reagieren. Das zeigte sich insbesondere bei dem wichtigen und raschen Aufbau der LNG-Infrastruktur, bei dem die Bundesregierung mit ihrem „Deutschland Tempo“ viel Dynamik ins Land gebracht hat. Leider hat dieses Tempo jedoch in anderen Bereichen auch große Verunsicherung in der Bevölkerung ausgelöst, besonders bei Projekten, die zu schnell und zu ambitioniert angestrebt wurden. Ein wichtiges Beispiel dafür ist das Gebäudeenergiegesetz, um das viel gestritten und lange gerungen wurde und das weiterhin viele Fragezeichen bei Bürgerinnen und Bürgern hinterlässt. Für die kommenden Monate kommt es daher darauf an, die bisher unvollendeten Kapitel der Energiepolitik zu vollenden. Höchste Priorität hat dabei für mich die Kraftwerkstrategie. Ohne Investitionsanreize für neue Gaskraftwerke werden wir 2030 kaum vom Kohlestrom loskommen. Die im vergangenen Sommer skizzierten Eckpunkte sind ein Lichtblick, doch jetzt wird ein detailliertes Konzept benötigt. Aber auch die Biomassestrategie oder die Carbon Management Strategie lassen weiter auf sich warten. Sie sind aber zentrale Bausteine für das Gelingen der Energiewende und der Transformation zu einem klimaneutralen und resilienten Energiesystem. Wie wollen wir die Klimaziele für 2030 und 2045 erreichen, wenn wir schon beim Legen der Fundamente ins Stocken geraten?
Johann Terres: Die Ampel wird in den Medien etc. stark kritisiert. Welche positiven Leistungen würden Sie bescheinigen? An welcher Stelle hat die Ampel in Sachen Energie- und Klimaschutzpolitik gute Arbeit geleistet?
Dr. Timm Kehler: Neben der schnellen und pragmatischen Reaktion auf den Energie-Terrorismus des russischen Präsidenten Putin 2022 waren das zweifelsohne die beherzten Schritte im Bereich Wasserstoff. Für mich war 2023 das Jahr des Wasserstoffs. Die Ampelregierung hat die Nationale Wasserstoffstrategie fortgeschrieben, die Gesetzespakete RED III und das EU Gas Package verabschiedet und die Planung für das Wasserstoffkernnetz vorgelegt. Damit hat sie klare Signale für den Energieträger gesetzt, die auf den notwendigen Nachfrageimpuls für den Wasserstoffhochlauf hoffen lassen. Nach den wichtigen Regulierungsschritten in Berlin und Brüssel folgten spannende Investitionsprojekte der Wirtschaft: Es laufen zahlreiche Planungen für Wasserstoff-Importterminals, -Speicher, -Hochöfen. Für wasserstofffähige KWK-Anlagen, Turbinen und Heizungen oder auch für Wasserstoffpipelines, die Afrika mit Europa verbinden. Jetzt muss die Bundesregierung ihren Ankündigungen aber auch Taten folgen lassen. Wir warten zum Beispiel weiter auf die dringend benötigten Regelungen für Herkunftsnachweise für grünen Wasserstoff.
Johann Terres: Welche Impulse braucht es jetzt, damit die zweite Halbzeit der laufenden Legislaturperiode erfolgreicher wird?
Dr. Timm Kehler: Es braucht mehr Realitätssinn. Die Ampelregierung hat in den ersten beiden Jahren ihrer Amtszeit einige wichtige Entscheidungen getroffen, die nicht immer auf ungeteilte Zustimmung gestoßen sind. Ein Grund dafür: Die Regierung hatte nicht immer ein Gefühl für die Mehrheitsmeinungen im Land. Außerdem bedarf es klarer und vor allem verbindlicher Kommunikation aller Regierungsmitglieder. Die bisherige Kommunikation war oft unklar und widersprüchlich, was zu vermehrter Verunsicherung und Kritik innerhalb der Bevölkerung geführt hat. Zukünftig muss sie eingebettet sein in transparentes und glaubwürdiges Handeln nach dem Motto „Sage, was du tust, und tue, was du sagst“. Nur dann werden Entscheidungen für Bürgerinnen und Bürger auch nachvollziehbar. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt bringt eine zusätzliche Herausforderung. Die Bedeutung des Klimaschutzes bleibt aber trotz finanzieller Einschränkungen unbestritten. Es gilt jetzt, die Umsetzung der Klimaziele noch effizienter und effektiver anzugehen. Hierbei sollte verstärkt über marktwirtschaftliche Mechanismen nachgedacht werden, anstatt sich ausschließlich auf staatliche Subventionen zu verlassen. Ein Beispiel könnte die Kraftwerksstrategie liefern: Der von uns vorgeschlagene Kapazitätsmarkt wäre erheblich günstiger als durch Steuern finanzierte Ausschreibungsmodelle.
Johann Terres: Vielen Dank für Ihre Perspektiven zum Verlauf der Ampel-Legislatur und bevorstehenden zweiten Hälfte. Ich freue mich auf eine ausführlichere Version auf der ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2024!