Interview mit Dr. Werner Götz, TransnetBW
Interview mit Herrn Dr. Götz, Vorsitzender der Geschäftsführung, TransnetBW, mit Dr. Annette Nietfeld
Dr. Annette Nietfeld: Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung steht, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis 2030 80 Prozent betragen soll; und dies bei einem Bruttostrombedarf von 715GWh. Ist das realistisch?
Dr. Werner Götz: Die dafür notwendigen 200 GW Photovoltaik, 100 GW Wind Onshore und 30 GW Wind Offshore bis 2030 sind sehr ambitionierte Ziele, alles andere als Selbstläufer. Da muss alles zusammenpassen: Die Länder müssen Flächen verfügbar machen, die Hersteller produzieren, die Handwerker verfügbar sein und, und, und. Nur dann können wir die Ziele erreichen.
Dr. Annette Nietfeld: Was bedeutet dieses Ziel für die Netzausbauplanungen? Werden unter diesen Umständen die geplanten vier HGÜ- Leitungen ausreichen, um die EE-Erzeugung 2030 von Norden nach Süden zu transportieren? Oder braucht es weitere, zusätzliche Leitungen bis 2030?
Dr. Werner Götz: Natürlich reichen die derzeit geplanten vier HGÜ-Leitungen – A-Nord, Ultranet, SuedOstLink und SuedLink – nicht aus, wenn bis 2030 80 Prozent des Stromverbrauchs mit Erneuerbaren Energien erzeugt werden soll. Die alte Bundesregierung hatte bis 2030 nur 65 Prozent geplant. Die neuen Ziele der Ampel bedingen schneller mehr Netzausbau: Was bislang etwa 2035 erreicht sein sollte, muss nun bis 2030 stehen.
Dr. Annette Nietfeld: Verfügt TransnetBW über die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen, um den erforderlichen Netzausbau realisieren zu können?
Dr. Werner Götz: Die Energiewende ist ein Kraftakt, für alle Beteiligten. Sie darf weder an finanziellen noch an personellen Ressourcen scheitern. Auch wenn es genug Probleme und Herausforderungen gibt – ich nenne hier die Akzeptanz vor Ort. Oder die Verzinsung: Das weltweite Kapital hat viele Anlagemöglichkeiten, da dürfen wir bei den Netzausbauprojekten nicht zu weit zurückfallen. Für unser Haus kann ich sagen: Wir sind vorbereitet. Und wir wollen nicht immer über die Probleme reden, sondern darüber, was getan werden muss, damit es klappt. Und dazu gehören auch die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Dr. Annette Nietfeld: Die Ampelkoalition will Planverfahren und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Hilft das dem Netzausbau?
Dr. Werner Götz: Ja, gewiss. Wir haben hierzu auch schon viele Hinweise gegeben, was beschleunigend wirken könnte. Aber wir brauchen auch eine Anwendung des geltenden Rechts, die nicht von Ängstlichkeit und Absicherung geprägt ist. Und klarer Missbrauch geltenden Rechts darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Wenn Kommunen einen öffentlich genutzten Weg zu einem nur noch landwirtschaftlich nutzbaren Weg umwidmen, um uns den Zugang zu Grundstücken zu erschweren, auf denen wir Bodenuntersuchungen machen müssen – dann kostet das uns alle unnötig Zeit und Geld. Es muss möglich sein, derartige Blockaden zu unterbinden, ohne die Beteiligungsrechte derer zu beschneiden, die legitime Interessen einbringen.
Dr. Annette Nietfeld: Wie bewerten Sie die Wasserstoff-Strategie?
Dr. Werner Götz: An sich positiv. Aber um Wasserstoff zu produzieren, braucht man zunächst viel Strom. Insofern werden wir auch Wasserstoff nur in großem Maßstab nutzen können, wenn wir beim Strom unsere Hausaufgaben gemacht haben – also genug Strom dort zur Verfügung haben, wo er gebraucht wird. Da aber eine Wasserstoff-Infrastruktur kurzfristig nicht flächendeckend zur Verfügung stehen wird, kann der Stromtransport in der nahen Zukunft ein Teil der Lösung sein.
Dr. Annette Nietfeld: Wie stehen Sie zu der Idee gemeinsamer Strom- und Gasnetze?
Dr. Werner Götz: Klar ist, dass wir die Planung von Strom-, Gas- und künftig auch Wasserstoffnetzen besser verzahnen müssen, denn sie beeinflussen und ergänzen sich gegenseitig. Das ist angesichts der Vielzahl der Akteure nicht einfach, aber ich setze darauf, dass die Einsicht siegt.
Dr. Annette Nietfeld: Haben Sie mit Blick auf die Diskussionen zur EU-Taxonomie Sorge, dass sich für Deutschland die Frage nach der Versorgungssicherheit stellt?
Dr. Werner Götz: Wenn wir aus Kohle und Kernkraft aussteigen, dann brauchen wir andere flexible und steuerbare Einheiten, sowohl in der Erzeugung als auch im Verbrauch, und vor allem Speicher. Zusätzlich zum Erneuerbaren-Ausbau müssen darum Gas-Kraftwerke errichtet werden, natürlich „H2ready“. Derzeit baut die niemand, weil bei absehbar wenigen Betriebsstunden und unklaren Zukunftsaussichten kein belastbarer Business Case existiert. Da müssen wir gegensteuern, und da darf die Taxonomie keine zusätzlichen Hürden aufbauen.