Interview mit Dirk Kaisers (EATON)
Interview mit Dirk Kaisers, Segment Leader Distributed Energy Management EMEA, Eaton, im Vorfeld zur Konferenz ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2022
Dr. Annette Nietfeld: Moderne Rechenzentren zählen zweifelslohne zu den sehr großen Stromverbrauchern. Eaton hat zusammen mit BNEF im Rahmen einer Studie ermittelt, wie groß der Strombedarf der Rechenzentren in 2030 in Deutschland, Irland, den Niederlanden, Norwegen und dem Vereinigten Königreich wahrscheinlich sein wird. Wie lautet das Ergebnis? Und was bedeuten die Zahlen im Verhältnis z.B. zum generellen Stromverbrauch?
Dirk Kaisers: Derzeit verbrauchen Rechenzentren ca. 3% des gesamten Strombedarfs. Dabei ist hervorzuheben das zum Beispiel der Stromverbrauch in Irland um einiges höher im Bezug zum Gesamtsystem ist, da Rechenzentren dort eine Schlüsselindustrie darstellen.
Dr. Annette Nietfeld: Was bedeutet diese immense Stromintensität von Rechenzentrenten für die Netzplanung. Es wird nicht unbedeutend sein, einen oder mehrere solcher „Stromfresser“ im Netz zu haben? Hinzu kommt, dass die Rechenzentren im Verlauf der Jahre ihre Kapazitäten erweitern wollen.
Dirk Kaisers: Das Problem beim Netzausbau besteht in der Clusterbildung von Rechenzentren, diese werden normalerweise dort gebaut, wo es einen guten Zugang zur Kommunikationsinfrastruktur besteht. Entsprechend treten die Probleme beim Netzausbau lokal auf. Amsterdam hat schon die Reißleine gezogen und untersagt den weiteren Zubau von Rechenzentren, da diese nicht mehr mit Strom versorgt werden könnten und Netzstabilität beinträchtigen könnte.
Dr. Annette Nietfeld: Stellt der Aufwuchs der fluktuierenden Erneuerbaren Energien ein Problem für die Rechenzentren dar? Ich gehe davon aus, dass Stromunterbrechungen unakzeptabel sind.
Dirk Kaisers: Erneuerbare Energien sorgen ja nicht per se für ein instabileres Energienetz. Generell gilt aber doch, dass Rechenzentren unterbrechungsfrei arbeiten müssen. Dies wird über sogenannte USV-Anlagen sichergestellt, die aus Batteriespeichern für den kurzfristigen und Dieselgeneratoren für den langfristigen Einsatz bestehen. Der Einsatz von Dieselgeneratoren ist in diesem Zusammenhang problematisch, da dadurch Emissionen entstehen. Alternative Technologien wie Brennstoffzellen stehen aber schon in den Startlöchern.
Dr. Annette Nietfeld: Das ist interessant, Rechenzentren sind in gewissem Umfang also flexibel und würden sich am „Demand Side Management“ beteiligen?
Dirk Kaisers: Genau, das wäre mit der vorhandenen Technologie durchaus möglich. Batteriespeicher werden ja schon unabhängig von Rechenzentren dazu eingesetzt. Im Prinzip kann auf die vorhandene elektrische Infrastruktur im Rechenzentrum weitere Batteriekapazität gelegt werden, die dann Mehreinnahmen durch netzdienliche Leistungen generieren kann.
Dr. Annette Nietfeld: Ist das bereits geübte Praxis? Nennen Sie uns bitte ein oder zwei Beispiele.
Dirk Kaisers: Wir haben bereits mehrere solcher Anlagen im europäischen Ausland im Einsatz, speziell in den nordischen Ländern und in Irland. Die Anlagen dort helfen bei der Frequenzregulierung des öffentlichen Netzes.
Dr. Annette Nietfeld: Welche Hindernisse bestehen für eine breite Einführung von Flexibilitäten bei Rechenzentren und welche Vorteile genau könnten durch die Bereitstellung von Flexibilitätsdiensten für das Netz erreicht werden?
Dirk Kaisers: Gerade in Deutschland ist der regulatorische Rahmen für den netzdienlichen Einsatz von Flexibilität noch nicht gegeben, das gilt für den gerade dargestellten Fall, wie auch z.B. für bi-direktionales Laden von Elektrofahrzeugen. Generell sind sich alle Marktteilnehmer einig, dass ein solcher Einsatz sinnvoll ist und die Systemkosten senken würde. Sobald also die Regularien es zulassen, können wir loslegen.
Dr. Annette Nietfeld: Welche Anreize sollten Ihrer Meinung nach seitens der Politik geschaffen werden, um diese Vorteile für die Betreiber von Rechenzentren realisieren zu können?
Dirk Kaisers: Es ist wichtig, dass der Marktzugang diskriminierungsfrei und offen gestaltet wird. Des Weiteren sollten lokale Flexibilitätsmärkte entstehen, da dort in Zukunft das Netz stabilisiert werden wird. Das Heben von Flexibilisierungspotentialen in Rechenzentren ist technisch bereits möglich, wir brauchen nur noch die richtigen Rahmenbedingungen
Dr. Annette Nietfeld: Diese Aspekte der Netz- und Systemplanung sowie der Sektorenkopplung werden wir u.a. mit Ihnen im Rahmen der Session 6 der Konferenz „ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2022“ vertiefen. Dr. Lars Rößing, aus dem Hause Amprion ,wird die Session moderieren. Ich bin mir sicher, dass wir viel lernen werden und freue mich darauf. Ich hoffe, Sie auch Herr Kaisers!