Zur Vorbereitung der ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2025 sprachen wir mit Prof. Dr. Küchen, Hauptgeschäftsführer von en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie e.V.
Wie schon bei Ihrer Teilnahme im letzten Jahr fordern Sie eine Molekülwende. Hat sich etwas an Ihren Forderungen verändert?
Die Molekülwende ist dringender denn je. Es ist absehbar, dass wir künftig eine sehr große Menge erneuerbarer Kraft- und Brennstoffe sowie Grund- und Betriebsstoffe für die Industrie benötigen werden. Nicht nur um die Klimaziele zu erreichen, sondern auch um die Versorgungssicherheit hierzulande aufrecht zu erhalten und bestehende Wertschöpfungsketten und damit Arbeitsplätze zu sichern. Wir stehen auch noch immer vor der Herausforderung, dass die jetzt notwendigen hohen privaten Investitionen nicht getätigt werden, weil der regulatorische Rahmen nicht stimmt und die Risiken beim Einstieg in neue Technologien zu hoch sind. Zugleich sind die Raffinerien hierzulande als energieintensive Industrie im globalen Vergleich durch hohe Strom-, Gas- und CO2-Kosten belastet, was in ein einem verschärften internationalen Wettbewerb wirtschaftliche Nachteile zur Folge hat.
Gibt es bereits Schritte von Seiten der Regierung, die Sie zufrieden stellen?
Erfreulicherweise gab es im Laufe der vergangenen Monate einen konstruktiven Dialog zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und unserer Branche zur Transformation der Mineralölwirtschaft. Das BMWK hat auf Basis der Gespräche ein Ergebnispapier veröffentlicht, in dem die wichtigsten Probleme benannt sowie Forderungen seitens der betroffenen Unternehmen festgehalten und kommentiert wurden. Das Arbeitspapier erkennt die Notwendigkeit der Molekülwende an und ist aus unserer Sicht eine gute Basis für die dringend erforderlichen Anpassungen der Energie-, Wirtschafts- und Klimapolitik.
Welche Rolle spielen Importe und ein Weltmarkt grüner Moleküle?
Deutschland importiert derzeit rund 70 Prozent seiner Energie, und wir werden auch in Zukunft ein Energieimportland bleiben. Umso wichtiger ist die Entwicklung eines globalen Marktes für alternative Moleküle. Dies hätte positive Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte in Deutschland und in den Erzeugerländern. Moleküle ermöglichen den Transport erneuerbarer Energie über längere Strecken. So können Wind- und Solarstrom wie auch Bioenergie auch aus weit entfernten Ländern für uns nutzbar gemacht werden.
Sehen Sie den Aufbau eines Weltmarktes durch die aktuellen internationalen Krisen gefährdet?
Gerade in Krisenfällen ist es wichtig, auf gespeicherte Energie in Form von Molekülen zurückgreifen zu können. Nicht ohne Grund steht hier auch heute schon flüssige Energie zur Verfügung: zum Betrieb von Notstromaggregaten oder als strategische 90-Tage-Reserve im Rahmen der gesetzlichen Erdölbevorratung. Zudem haben wir in den vergangenen Jahren gespürt, wie wichtig diversifizierte Lieferstrukturen und flexible Infrastrukturen bei der Energieversorgung sind. All das sind Argumente für einen solchen globalen Markt – gerade auch weil er es gegenüber heutigen fossilen Rohstoffmärkten ermöglicht, die Energieversorgung noch weiter zu diversifizieren und einseitige Abhängigkeiten noch besser zu vermeiden. Wichtig sind daher schon heute Energiepartnerschaften mit den Handelspartnern von morgen.
Was braucht es, damit die Molekülwende funktioniert?
Notwendig ist es, das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort im Einklang mit den Klimazielen wiederherzustellen und Investitionen in Versorgungssicherheit und Transformation zu ermöglichen. Dazu sind konkrete Maßnahmen in den Handlungsfelder Regulatorik, Infrastruktur und Finanzierung erforderlich. Die Verfügbarkeit und Einsatzmöglichkeiten der notwendigen Rohstoffe müssen sichergestellt und eine kostengünstige Produktion bei Vermeidung nicht zwingend erforderlicher Auflagen ermöglicht werden. Zudem brauchen wir regulatorische und fiskalische Instrumente, um nachhaltige Produkte – trotz höherer Herstellungskosten – wettbewerbsfähig zu machen. Darüber hinaus sollte der Einstieg in neue Technologien durch staatliche Förder- und De-Risking-Instrumente flankiert werden, um den „First-Mover-Disadvantage“, also den technisch-ökonomischen Risiken bei neuen fortschrittlichen Produktionsverfahren so abzufedern, dass „Financial Investment Decisions“ für industrielle Projekte möglich werden.