„Hochlauf PtX ungelöst: Attraktive Investitionsbedingungen für H2-Produktion vermisst“.

Was bringt die neue Nationale Wasserstoffstrategie?

 

4 Fragen an…

…………Prof. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer von en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie e. V.

Dr. Annette Nietfeld: Herr Professor Küchen, der Name Ihrer Session ist Programm. Was bringt die neue Nationale Wasserstoffstrategie? Was erhoffen Sie und Ihre Mitgliedsunternehmen sich davon?

Prof. Christian Küchen: Laut einem Entwurf aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nimmt sich die Bundesregierung eine Verdopplung der Elektrolyseleistung auf zehn Gigawatt vor. Das begrüßt unser Verband sehr, denn die Herstellung und Nutzung von treibhausgasneutralem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten ist eine wichtige Säule der Energiewende. Auch für die Transformation der Raffinerien in Deutschland ist Wasserstoff ein entscheidender Schlüssel zur Erreichung der Klimaziele.

Unsere Branche befindet sich derzeit im Umbruch. Die Mineralölwirtschaft spielt für die Versorgungssicherheit als Energie- und Rohstofflieferant eine große Rolle und kann entscheidende Beiträge für ein klimaneutrales Deutschland leisten. Zum Erreichen der Klimaziele im Verkehr und in weiteren Sektoren brauchen wir neben dem Ausbau der heimischen Produktionskapazitäten, Verteilnetzen und Ladeinfrastruktur für erneuerbaren Strom große Importmengen an treibhausgasneutralem Wasserstoff und seiner Folgeprodukte als klimaschonende Energieträger für Motoren, Triebwerke und Wärmeerzeuger, aber auch zur stofflichen Nutzung für die Dekarbonisierung der Industrie. Die Importbedarfe werden dabei meist noch massiv unterschätzt. Dafür benötigen wir seitens der Bundesregierung jetzt mehr Tempo beim Ausbau der Importinfrastrukturen, eines Wasserstoffnetzes und konkretere Maßnahmen zum Markthochlauf. Und natürlich muss sich die Bundesregierung für pragmatische Kriterien für die Wasserstoff- und Power-to-X-Produktion einsetzen. Was wir derzeit aus Brüssel hören, stimmt uns nicht allzu optimistisch.

Nietfeld: Wie sehen Ihre Beiträge zum Erreichen der Klimaziele aus?

Prof. Christian Küchen: Tankstellen werden künftig zu „Mobilitätshubs“. Sie werden mit Schellladesäulen ausgestattet. Parallel dazu schreitet der Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes insbesondere für den Schwerlastverkehr voran. Darüber hinaus bieten immer mehr Tankstellen schon heute Kraftstoffe mit deutlich geringeren CO2-Emissionen an. Denn wir werden noch lange Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf der Straße haben. Im vergangenen Jahr hatten über 80 % der Neufahrzeuge einen Verbrennungsmotor an Bord. Darüber hinaus wird es weitere alternative Kraftstoffe geben, um die klimaschädlichen Emissionen im Flug- und Schiffsverkehr zu reduzieren. Dies werden fortschrittliche Biofuels und E-Fuels sein. Ebenso arbeitet die Branche an CO2-neutralen Vorprodukten für die chemische Industrie. Der notwendige Transformationsprozess der Branche ist bereits eingeleitet und so ist klar: Am Ende dieses Wandels wird die Mineralölwirtschaft keine Mineralölwirtschaft mehr sein.

Nietfeld: Welche Rolle spielt dabei Power-to-X, also kurz: PtX?

Prof. Christian Küchen: PtX meint grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte, bspw. aus Wasserstoff und CO2 hergestelltes Methanol oder synthetisches Rohöl und daraus hergestellte E-Fuels, als Beimischung oder Substitut für die bisherigen fossilen Kraftstoffe. Diese PtX-Produkte werden perspektivisch national wie international einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Dekarbonisierung der Wirtschaft leisten müssen. Neben der direkten Nutzung als Energieträger wird Wasserstoff insbesondere zur Vermeidung prozessbedingter Emissionen, wie etwa in der Stahlindustrie, oder als Alternative zur Nutzung fossiler Rohstoffe in Teilen der Chemieindustrie zum Einsatz kommen. Leider fehlt für die notwendigen Milliardeninvestitionen nach wie vor die Planungssicherheit. So ist immer noch nicht festgelegt, welcher Strom zur Herstellung grünen Wasserstoffs verwendet werden kann und welche Kohlenstoff- bzw. CO2-Quellen für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe anerkannt werden. Und diese Kriterien sind nicht nur für Anlagen in Deutschland oder den Nachbarländern erforderlich. Da wir auch langfristig wesentliche Teile unseres Energiebedarfs importieren müssen, ist es dringend erforderlich, dass diese Kriterien auch geeignet sind, Anlagen in aller Welt zu errichten, deren Produkte dann auch nach Deutschland importiert werden können.

Nietfeld: Wie bewerten Sie im „Wettlauf um die grünen Moleküle“ den Inflation Reduction Act und wie sollte die Europäische Union darauf regieren?

Prof. Christian Küchen: Durch die – so sieht es leider derzeit aus – sehr restriktiven europäischen Kriterien für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sowie die Anforderungen an die Kohlenstoffquellen zur Herstellung von PtX-Produkten läuft Europa nicht nur Gefahr, den Wettbewerb mit den USA um künftige H2-Gigafabriken zu verlieren, sondern dass auch Projekte in für Windstrom sehr vorteilhaften Weltregionen wie Chile zwar umgesetzt werden, die dort hergestellten Produkte, darunter grünes Methanol, aber nicht in Deutschland, sondern in anderen Weltregionen landen. Das gefährdet das Erreichen der ohnehin sehr ambitionierten europäischen und deutschen Klimaziele. Denn Importe von klimaneutralen Energieträgern sind dafür unerlässlich. Es geht also nicht nur um das Tempo der politischen Entscheidungen, sondern diese müssen auch praktikabel umsetzbar sein. Die EU muss ihre Investitionsblockaden dringend lösen und den Weg freimachen für grünen Wasserstoff und Folgeprodukte im großen Stil.

Nietfeld: Ich freue mich auf die Themensession Ihres Verbandes am ersten Tag von ENERGIE.CROSS.MEDIAL! Till Mansmann, der Wasserstoffbeauftragte der Bundesregierung, wird vortragen. Außerdem werden Sie selbst darüber sprechen, worauf es bei den Investitionsbedingungen für Wasserstoff jetzt ankommt. Herr Prof. Küchen, danke für Ihr Zeit!

 
 
 

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Interview mit Prof. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer von en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie e. V.
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