Interview mit Axel Gedaschko (Präsident, GdW)
18. Januar 2021
•
0 Kommentar
Dr. Annette Nietfeld: Die EU-Kommission hat sich vorgenommen, die Renovierungsrate in der EU bis 2030 auf mindestens 2 % im Jahr zu steigern. 35 Millionen Gebäude sollen bis dahin grundlegend saniert werden. Dafür will sie ca. 300 Milliarden € bereitstellen. Sie haben diese Absicht mit den Worten, dass „das sozialen Sprengstoff birgt“ kommentiert, einen Zuschuss von bis zu 50% der Modernisierungskosten gefordert und darauf hingewiesen, dass zur Realisierung eine Verdopplung der Handwerkskapazitäten notwendig sei. Ich gehe davon aus, dass Sie das nicht nur der Presse gesagt haben, sondern auch den zuständigen Politikern und Beamten in der Kommission. Wie war die Reaktion?
Axel Gedaschko: Wir werben überall für die wohnungswirtschaftlichen Ansätze für den Weg zur Klimaneutralität und sehen bereits erste positive Ergebnisse. Seit dem 1. Januar 2021 ist der erste Teil der Bundesförderung energieeffiziente Gebäude BEG in Kraft getreten. Damit können Wohnungsunternehmen nun für Einzelmaßnahmen direkte Zuschüsse erhalten, später auch für umfassende Maßnahmen, und zwar beihilfefrei. Die Beihilfefreiheit war zunächst nicht sicher, da hat sich die Kommission wirklich bewegt. Gleichzeitig sehen wir den politischen Willen, ausreichend Fördermittel, d.h. entsprechend der Nachfrage, bereitzustellen. Schon zu Beginn des Jahres 2020 wurde die Förderung verbessert. Im Jahr 2020 gab es dann zwei Aufstockungen, von ursprünglich geplanten 2 Mrd. EUR KfW-Mitteln auf über 6 Mrd. EUR. Mit dem GEG (Gebäudeenergiegesetz) werden nun erneuerbare Energien deutlich besser berücksichtigt und mit dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) wird der Mieterstrom ein gutes Stück besser unterstützt als dies bisher der Fall war. „Sozialer Sprengstoff“ liegt in einer politischen Versteifung auf Sanierungsraten der Gebäudehülle, vielleicht noch verbunden mit Forderungen nach hohen Standards. Dieser Ansatz ist im Bereich der Umweltpolitik traditionell stark. Wir halten aber im Rahmen nachhaltigen wohnungswirtschaftlichen Handelns weder einen flächendeckenden KfW-55-Standard noch eine Verdopplung der Sanierungsrate der Gebäudehülle für leistbar. Wir halten aber den klimaneutralen Betrieb der Gebäude für möglich. Unsere nächste Aufgabe ist es, politisch klarzustellen, dass Europa in dieser Hinsicht bereits weiter ist als Deutschland. Die EU misst die Renovierungsrate an der Einsparung nicht-erneuererbarer Primärenergie. Wörtlich heißt es hier: „The speed at which the building stock improves its energy performance can be expressed as annual reduction of the total building stock’s primary energy consumption. This weighted energy renovation rate is calculated to be about 1%.“ Das ist letztendlich der Ansatz des Gebäudeenergiegesetzes. Er integriert Gebäudehülle und Anlagentechnik sowie Energieversorgung. Nehmen wir nun noch den Nutzer hinzu und weiten den Gedanken auf CO2 aus, so haben wir einen wohnungswirtschaftlichen Ansatz.
Dr. Annette Nietfeld: Die Kommission will einen Vorschlag für Mindestenergieanforderungen von Gebäuden vorlegen. Die EU-Staaten müssten den Gebäudebestand dann auf ein bestimmtes Energie-Effizienzklassenniveau bringen. Der Ball läge dann also bei den nationalen Regierungen. Bestimmt haben Sie das schon mit den zuständigen Stellen besprochen. Was sagen die dazu? Wird es einen Sanierungszwang geben?
Axel Gedaschko: Aus der deutschen Politik gibt es hierzu bisher noch keine Meinung. Aber wir als Wohnungswirtschaft haben eine: Die Wohnungswirtschaft lehnt zusätzliche Mindeststandards ab. In Deutschland bestehen bereits Mindeststandards für Einzelmaßnahmen. Diese nennen sich „Nachrüstpflichten“ oder „bedingte Anforderungen“. Ordnungsrecht kann aber für umfassende Maßnahmen die schwierige Marktsituation nicht lösen, die wegen der Unwirtschaftlichkeit der Effizienzmaßnahmen besteht. Die Unwirtschaftlichkeit wiederum entsteht aus der mangelnden Mietzahlungsfähigkeit von Haushalten mit mittleren und niedrigen Einkommen und ist im Grunde ein soziales Dilemma. Verbindliche Mindeststandards im Sinne z.B. eines Vermietungsverbotes würden dazu führen, dass bezahlbare Wohnungen aus dem Markt verschwinden. In Deutschland wären davon insbesondere Wohnungen mit Haushalten betroffen, denen die Kosten der Unterkunft erstattet werden. Diese Erstattung richtet sich üblicherweise allein nach der Kaltmiete. Mindeststandards wären allenfalls dann langfristig für die schlechtesten Gebäudeklassen denkbar, wenn vorher für mindestens 10 Jahre eine warmmietenneutrale Modernisierung durch verlässliche und ausreichende Förderung sichergestellt werden würde.
Dr. Annette Nietfeld: Die Immobilienwirtschaft ihrerseits engagiert sich durchaus schon länger bezüglich der Frage, wie sie es erreichen kann, die erforderliche Raumwärme und warmes Wasser zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig die damit verbundenen CO2- Emissionen zu reduzieren. Seitens des GdW wurde die Initiative „Wohnen 2050“ gegründet. Bitte lassen Sie uns doch kurz wissen, worum es sich dabeihandelt und was damit erreicht werden soll.
Axel Gedaschko: Die Initiative Wohnen 2050 (IW.2050) wurde von 24 Wohnungsunternehmen mit Unterstützung des GdW gegründet, um nicht mehr nur über den Klimawandel zu sprechen, sondern aktiv zu werden und zu handeln. Das erklärte Ziel der IW.2050 ist es, den Bestand der deutschen Immobilienwirtschaft bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu stellen. Um dies zu erreichen, braucht jedes Unternehmen eine klare Perspektive und einen verlässlichen Entwicklungspfad für die nächsten 30 Jahre, um politisch, strategisch und operativ handlungsfähig zu sein. Darum setzt die IW.2050 unter anderem auf Kooperation, gegenseitige Hilfestellung, einheitliche Benchmarks und das breite Streuen von Know-how. Gerade mittelständische Gesellschaften profitieren, da sie sich an die anlehnen können, die bereits strategisch vordenken. Ein solcher Zusammenschluss kann auch eine große Wirkung auf die Öffentlichkeit haben. Je mehr Partner zusammenkommen, desto lauter wird die Stimme der Wohnungswirtschaft, um in Politik und Wirtschaft Gehör zu finden. Trotz der Coronabedingten Einschränkungen fanden bereits zahlreiche Online-Fachveranstaltungen statt, bei denen Maßnahmen für und mit den Partnern durchgeführt wurden.
Dr. Annette Nietfeld: Sanierungsprojekte des GdW haben gezeigt, dass die Sanierung im Durchschnitt zu einer Mieterhöhung von 2.50€ pro Quadratmeter führt. Wie ist die Reaktion der Mieter darauf?
Axel Gedaschko: Eine Sache vorweg: Gesetzlich darf die Miete (bis 7 EUR/m² im Bestand) nur um 2 EUR/m² erhöht werden. Das führt dazu, dass bestimmte Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Allerdings wurden diese Maßnahmen auch vorher oft nicht umgesetzt, da die Mieter die Mieterhöhung nicht hätten tragen können. Ausnahmen waren Projekte, die besonders hohe Heizkosten senken konnten.
Natürlich sind auch Mieter daran interessiert etwas für den Klimaschutz zu tun, aber nicht um jeden Preis. Sanierungsprojekte führen zwar zu Einsparungen beim Energieverbrauch, allerdings nicht in dem Maße, dass es die Mieterhöhung ausgleichen könnte. Und in Deutschland gibt es viele Haushalte, die sich eine solche Mieterhöhung nicht leisten können. Deshalb muss der Staat hier unterstützend tätig werden. Die Wohnungswirtschaft sieht hier beispielweise Verbesserungspotential beim Wohngeld: Wir fordern dringend eine Klimakomponente, um sicherstellen zu können, dass Mieter auch nach energetischen Modernisierungsmaßnahmen in ihren Wohnungen bleiben können. Die ambitionierten Klimaziele des Staats sind begrüßenswert, aber sie machen auch eine stärkere Beteiligung der Allgemeinheit an der Finanzierung der Klimaziele notwendig, um drohende soziale Verwerfungen zu verhindern.
Dr. Annette Nietfeld: Der GdW und die Initiative Wohnen 2050 werden all diese Themen im Rahmen der Session 4 „Klimaneutraler Gebäudebestand 2050 – Initiativen der Immobilienwirtschaft“ anlässlich der neuen Konferenz ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2021 aufgreifen und vertiefen. Besonders gut finde ich, dass auch die Marktpartner der Gebäudewirtschaft Handwerker, Hersteller und Nutzer dabei sein werden. Ich bin auf diese Session sehr gespannt und danke für Ihr Engagement.