Interview mit Axel Gedaschko (GdW)
4 Fragen an den Präsidenten des Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW)
Dr. Annette Nietfeld: Die neue Bundesregierung hat ein neues Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen geschaffen. An sich ist das ein starkes Signal. Aber was wird dadurch wirklich besser?
Axel Gedaschko: Leider wurde das Thema Wohnen von der Politik in den letzten Jahren nicht wie die soziale Frage unserer Zeit behandelt. Es wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten sträflich vernachlässigt. Das neue Ministerium weckt nun Hoffnung, dass sich die neue Regierung endlich um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen rund um die soziale Frage dieses Jahrzehnts kümmert.
Um bezahlbares Wohnen in Deutschland unabhängig vom Geldbeutel für alle Menschen zu ermöglichen, gibt es keine einfache Einzellösung. Die neue Bundesregierung muss gemeinsam mit allen Partnern und einem abgestimmten Maßnahmenpaket zügig handeln, um die Situation für viele Wohnungssuchende und Mieter nachhaltig zu verbessern.
Damit die soziale Herausforderung unseres Jahrzehnts angesichts der aktuellen Baukostenexplosion, mangelnden Handwerkskapazitäten, ambitionierten Klimazielen und stark steigenden Energiepreisen gemeistert werden kann, müssen alle staatlichen Ebenen eine Reihe von Lösungsbausteinen koordiniert umsetzen: Es muss mehr und günstiges Bauland vergeben werden. Die Baugenehmigungsprozesse müssen digitalisiert und beschleunigt werden. Moderne und nachhaltige Bautechnologien wie das serielle und modulare Bauen sollten stärker unterstützt werden.
Dr. Annette Nietfeld: Noch ist das neue Ministerium damit beschäftigt sich zu sortieren. Ein Organigramm gibt es noch nicht. Dennoch die Frage an Sie, welche Aufgaben wird das neue Haus zuerst anpacken?
Axel Gedaschko: Die große Aufgabe für das neue Ministerium ist es, die wohnungspolitischen Weichen so zu stellen, dass ein verbindlicher und transparenter Rahmen aus gesetzlichen Vorgaben, Förderinstrumenten und strukturplanerischen Leitlinien entsteht.
Die größte Aufgabe für das Ministerium ist derzeit die sozial verträgliche Umsetzung der Klimaziele. Darüber hinaus muss die riesige Lücke auf dem Wohnungsmarkt mit 400.000 neuen Wohnungen jährlich geschlossen werden, es muss für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land gesorgt werden und der soziale Zusammenhalt muss gesichert werden. Die Themen Quartiersmanagement, altersgerechtes Wohnen und Integration müssen dabei ebenfalls mitgedacht und ermöglicht werden. Eine digitale Modernisierung nicht nur von Planungs- und Genehmigungsverfahren, sondern auch für die Nutzung digitaler Technologien in den Häusern und Wohnungen, die Mobilitätswende und für nachhaltige Smart Cities ist notwendig.
Dr. Annette Nietfeld: Wie weit ist die EU-Kommission mit ihrer Idee gekommen, einen Vorschlag für Mindestenergieanforderungen von Gebäuden vorzulegen?
Axel Gedaschko: Die Europäische Kommission hat mit der Gebäuderichtlinie einen Entwurf vorgelegt, um den Klimaschutz bei Gebäuden zu beschleunigen. Dafür schlägt sie vor allem Mindesteffizienzstandards vor. Dadurch entsteht die schon in der EU-Renovierungswelle geforderte Sanierungsrate von 2 Prozent. Da bis 2033 zudem kein Gebäude mehr der Klasse F angehören soll, entsteht zusammengerechnet sogar eine Sanierungsrate von drei Prozent.
Eine faktische Sofort-Verdoppelung der Sanierungsrate ist unter den aktuellen Bedingungen von knappen Handwerkskapazitäten sowie angesichts Materialmangel und -verteuerung absolut realitätsfern. Klimaschutz und bezahlbares Wohnen miteinander verbinden – das hat sich die Europäische Kommission mit ihrer großen Initiative „Fit for 55“ eigentlich vorgenommen. Diesem Ziel wird der Entwurf der neuen Gebäuderichtlinie noch nicht gerecht.
Ein entscheidendes Manko der Richtlinie ist, dass in den Berechnungen und vorgeschlagenen Maßnahmen lediglich Einzelgebäude im Fokus stehen. Der Blick fürs Ganze fehlt. Um für den Klimaschutz schnell und bezahlbar echte Erfolge zu erzielen, muss das ganze Wohnquartier und nicht nur das einzelne Gebäude in die Maßnahmen mit einbezogen werden können.
Dr. Annette Nietfeld: In der EU wird heftig über den Vorstoß der Kommission diskutiert, den Verkehrs- und Gebäudesektor in den EU-ETS zu integrieren. Wie steht der GdW zu dieser Idee?
Axel Gedaschko: Die vorgeschlagene Ausgestaltung des geplanten Emissionshandels für den Gebäudebereich sehen wir kritisch. Wir befürworten einen separaten EU-weiten Emissionshandel für Gebäude mit einer Preisobergrenze, die jährlich steigt. Die Preisobergrenze ist entscheidend, um finanzielle und soziale Verwerfungen zu vermeiden, die am Ende die Mieter und Verbraucher insgesamt benachteiligen. Generell muss sich die Kostenaufteilung zwischen Mietern und Vermietern am energetischen Zustand des jeweiligen Gebäudes orientieren. Denn in energetisch sanierten Gebäuden ist das Nutzerverhalten der Bewohner bei den anfallenden Energiekosten der entscheidende Faktor. Ansonsten werden ausgerechnet die verantwortlichen Vermieter bestraft, die ihre Gebäude bereits modernisiert haben – darunter viele Wohnungsunternehmen.
Dr. Annette Nietfeld: Aktuell steigen die Preise für Heizöl, Benzin, Gas und Strom rasant, im Jahr 2021 in einer seit dem Ende des zweiten Weltkrieges ungekannten Geschwindigkeit. Was bedeutet das für die Mieter Ihrer Mitglieder?
Axel Gedaschko: Durch die steigenden Energiekosten wird das Wohnen für die Mieter immer teurer. Gerade für Haushalte mit niedrigen Einkommen ist dies schon jetzt ein großes Problem, das sich in den nächsten Monaten verschärfen wird. Ein einmaliger Heizkostenzuschuss zur Abfederung großer Nachzahlungen reicht hier bei weitem nicht aus. Stattdessen müssen auch die Mehreinnahmen des Staates durch seine Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf diese heftig gestiegenen Preise durch eine einjährige Absenkung des Steuersatzes an die Bürger zurückgegeben werden.
Dr. Annette Nietfeld: Die neue Regierung hat zunächst darauf verzichtet, den Preis für die Tonne C02 nach dem BEHG über die bisher vereinbarte Größenordnung hinaus weiter zu erhöhen. Gehen Sie davon aus, dass es auch zukünftig bei den vorgesehenen Preisanhebungen bleiben wird? Oder ist es sogar denkbar, dass der Preis eingefroren wird?
Axel Gedaschko: In der Politik gibt es einen Diskussionsstrang, dass der CO2-Preis viel schneller als bisher geplant steigen sollte. Allerdings hat die Politik auch erkannt, dass die steigenden Weltmarktpreise zusammen mit einem steigenden CO2-Preis die Bezahlbarkeit einer warmen Wohnung gefährden. Wir wissen nicht, wie sich die Debatte weiterentwickelt. Im Bereich der Brennstoffe sehen wir aber, dass die Politik die Gesamtkosten im Blick behält.
Dr. Annette Nietfeld: Der GdW und die „Initiative Wohnen 2050“ werden all diese Themen im Rahmen der Session 2 „Die Immobilienwirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität“ anlässlich der neuen Konferenz ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2022 aufgreifen und vertiefen. Besonders gut finde ich, dass auch die Marktpartner der Gebäudewirtschaft, Handwerker, Hersteller und Nutzer, dabei sein werden. Ich bin auf diese Session sehr gespannt und danke für Ihr Engagement.