Interview mit Prof. Dr. Christof E. Ehrhart (Executive Vice President Corporate Communications & Governmental Affairs, Robert Bosch GmbH)
19. Februar 2021
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Dr. Annette Nietfeld: Wie kann die zukünftige Mobilität CO2-neutral gelingen? Welche Antriebsarten werden wir in welchen Bereichen sehen?
Prof. Dr. Christof E. Ehrhart: Das Ziel der klimaneutralen Mobilität können wir über verschiedene Wege erreichen. An erster Stelle steht sicherlich die Elektromobilität mit Batterien und Brennstoffzellen. Sofern Ladestrom und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen stammen, sind E-Fahrzeuge CO2-frei unterwegs. Noch gibt es aber nicht für alle Verkehrsträger einen klaren und wirtschaftlichen Elektrifizierungspfad. Neben Schiffen und Flugzeugen denke ich dabei vor allem an Schwerlasttransporte und Bestandsfahrzeuge sowie an die Fahrzeuge, die heute und in den kommenden Jahrzehnten weltweit noch mit Verbrennungsmotor oder Hybridantrieb auf die Straßen kommen. Doch auch diese Fahrzeuge können und müssen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten – und das können sie mit erneuerbaren Kraftstoffen, zum Beispiel den eFuels, hergestellt aus grünem Wasserstoff und CO2 aus der Umgebungsluft. Kurzum, wir werden also auch in Zukunft verschiedene Antriebsarten sehen und brauchen.
Dr. Annette Nietfeld: Was bedeutet der Begriff „Technologieoffenheit“ für Bosch und warum sollte dies das politische Leitmotiv sein?
Prof. Dr. Christof E. Ehrhart: Technologieoffenheit meint, dass die Politik nur ein Ziel vorgeben soll, nicht aber den Weg, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Das sollten wir letztlich dem Erfindergeist und der Kreativität unserer Ingenieure – übrigens nicht nur bei Bosch, sondern im ganzen Land – überlassen. Aktuell sehen wir diese technologieoffene Herangehensweise gefährdet. Die Regulierung bevorzugt bei der Frage nach der Zukunft des Antriebs derzeit stark die Elektromobilität. Das fängt damit an, dass E-Autos als CO2-frei angesehen werden, obwohl sie das beim derzeitigen deutschen und auch europäischen Strommix nicht sind. Keine Frage, es ist gut, dass die Elektromobilität kommt, und sie wird auch für Bosch zum Kerngeschäft. Mit ihr allein, werden wir die ehrgeizigen Klimaziele aber nicht erreichen. Wir sind deshalb für fairen Wettbewerb unter den Antriebstechnologien, so dass sich die beste Technik durchsetzen kann.
Dr. Annette Nietfeld: Welchen Stellenwert hat der Verbrennungsmotor für Bosch und wie kann diese Antriebsart zur Erreichung der Klimaneutralität beitragen?
Prof. Dr. Christof E. Ehrhart: Auch wenn wir die Elektromobilität in der ganzen Breite – vom eBike bis zum 40-Tonner – massiv vorantreiben, so hat die Verbrennertechnik nach wie vor eine hohe Bedeutung für das Unternehmen und seine Mitarbeiter. Wir dürfen zudem nicht vergessen, dass wir aus dem bestehenden Geschäft die Investitionen in neue Technologien finanzieren. So fließen bei Bosch allein in diesem Jahr 700 Millionen Euro in die Elektromobilität. Wie beim elektrischen Fahren kommt es auch bei Diesel und Benzinern letztlich darauf an, welche Energiequelle zum Einsatz kommt. Ist diese nachhaltig erzeugt, können auch Verbrennungsmotoren klimaneutral betrieben werden. Darin liegt auch eine Chance für den Klimaschutz, die durch die kommenden Regulierungen im Rahmen des europäischen Green Deal nicht vertan werden sollte.
Dr. Annette Nietfeld: Welche Rahmenbedingungen benötigen Sie, damit E-Fuels eine breite Anwendung finden?
Prof. Dr. Christof E. Ehrhart: Zunächst sollten die Schwächen der jetzigen Regulierung beseitigt werden. Dazu gehört, den Verbrauch von Fahrzeugen im realen Straßenverkehr und den CO2-Ausstoß entlang der gesamten Wirkkette zu betrachten – von der Erzeugung des Kraftstoffs oder Stroms bis hin zur Nutzung im Straßenverkehr. Zudem sollte der CO2-Vorteil von eFuels zum Beispiel auf den Flottenverbrauch der Hersteller angerechnet werden können. Allein darüber würden schon Investitionsanreize für Produktionsanlagen geschaffen. Und die sind dringend notwendig, damit der Hochlauf der Wasserstoff- und eFuels-Produktion beginnt. Die Herstellung von eFuels ist verglichen mit fossilen Kraftstoffen teurer. Mit dem Aufbau größerer Produktionskapazitäten und sinkenden Kosten für die Erzeugung erneuerbaren Stroms und grünen Wasserstoffs werden sie jedoch deutlich günstiger werden.
Dr. Annette Nietfeld: Welche weltweiten Trends sehen Sie bei der klimaneutralen Mobilität? Welchen Stellenwert nehmen hier klimaneutrale Kraftstoffe und der Verbrennungsmotor ein?
Prof. Dr. Christof E. Ehrhart: Die Elektrifizierung des Antriebs ist ganz klar der weltweit bestimmende Trend in der Mobilität. Laut unseren Prognosen werden 2030 bereits rund ein Drittel aller neuzugelassenen Fahrzeuge weltweit rein elektrisch fahren. Die restlichen zwei Drittel werden noch von einem Verbrenner angetrieben, davon viele als Hybrid. Daraus erwachsen zwei wesentliche Schlussfolgerungen. Erstens: Der Verbrenner wird noch gebraucht, und wir müssen ihn zum Schutz von Umwelt und Ressourcen technisch immer auf dem neuesten Stand halten. Zweitens: Als Ergänzung zur Elektromobilität haben erneuerbare Kraftstoffe einen hohen Stellenwert. Ihr großer Vorteil ist, dass sie keine Änderung der bestehenden Tankstellen-Infrastruktur erfordern und unmittelbar im Fahrzeugbestand wirken.