Interview mit Dr. Julius Scholz (NOW GmbH)
Dr. Annette Nietfeld im Gespräch mit Dr. Julius Scholz (Programm Manager Internationale Kooperation, NOW GmbH)
Dr. Annette Nietfeld: Was erwarten Sie sich bzw. NOW von dem neuen Veranstaltungsformat „ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2020“?
Dr. Julius Scholz:Bei „ENERGIE.CROSS.MEDIAL“ handelt es sich um eine der wenigen Veranstaltungen, die die Herausforderung Sektorenkopplung in einer Veranstaltung abzubilden annimmt. Das hat den großen Vorteil, dass nicht nur Leute aus der Verkehrs- oder der Energiewelt teilnehmen, sondern mit den weiteren Themen Industrie und Quartiere ein wesentlich breiteres Fachpublikum teilnehmen wird. Deshalb erhoffe ich mir von der Veranstaltung auch eine spannende Diskussion mit vielen verschiedenen Perspektiven.
Dr. Annette Nietfeld: Die NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie koordiniert und steuert das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) der Bundesregierung und die Förderrichtlinien Elektromobilität sowie Ladeinfrastruktur (LIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Im Auftrag des BMVI unterstützt die NOW außerdem bei der Weiterentwicklung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie. Welche Aufgaben nehmen Sie als Manager internationale Kooperationen wahr?
Dr. Julius Scholz:Tatsächlich liegen die Schwerpunkte meiner Arbeit innerhalb der Exportinitiative Umwelttechnologie für das Bundesumweltministerium. Hier gilt es die Potentiale für den Einsatz von Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in Schwellen- und Entwicklungsländern zu erfassen und zu nutzen. Unter diesen Anwendungen sticht vor allem die Anwendung im Bereich dezentraler und netzferner Stromversorgung. Dies ist allerdings nur einer der Bereiche, in denen wir in der internationalen Kooperation aktiv sind. Denn wenn wir uns den Einsatz der Technologie und unterstützende Maßnahmen zu einem Markthochlauf anschauen, bewegen wir uns sehr schnell in Bereichen, in denen wir die nationale Ebene verlassen. Das lässt sich vielleicht an zwei Beispielen verdeutlichen. So tauschen wir uns international für den Aufbau einer Tankstelleninfrastruktur aus. Denn in diesen frühen Phasen ist es äußerst hilfreich sich nicht nur auf gleiche Standards und Regulierung zu verständigen – damit man mit seinem Auto überall tanken kann – sondern es kann einen entscheidenden Vorteil bringen sich zu den Erfahrungen auszutauschen um schnell Verbesserungen zu erzielen. Der zweite Bereich ist die Vernetzung von Projekten und Infrastrukturen. Schaut man sich beispielsweise das Gasnetz als bestehende Infrastruktur an, wird schnell deutlich, dass die Auswirkungen einer Umstellung oder auch nur einer Beimischung von Wasserstoff hier nicht national begrenzt wären. Mit zunehmenden globalen Aktivitäten sind dies Beispiele, die verdeutlichen, dass der Austausch helfen kann auf bestehendes Wissen aufzubauen und gemeinsam noch bestehenden Wissenslücken zu identifizieren um sie mit Forschungsvorhaben zu schließen. So sind wir an vielen Stellen die Schnittstelle zwischen den nationalen Entwicklungen und internationaler Projekt- und Gremienarbeit.
Dr. Annette Nietfeld: Sehen Sie bezüglich grüner Technologien einen großen Wettbewerbsdruck für deutsche Unternehmen?
Dr. Julius Scholz:Innerhalb der letzten zwei Jahre hat sich eine große Dynamik im Zusammenhang von Wasserstoff entfaltet. Einerseits befinden wir uns gerade auf dem deutschen Markt im Übergang von ersten Demonstrationsvorhaben hin zu großen Projekten, die an vielen Stellen der Wertschöpfungskette von Wasserstoff die nächsten Schritte vorbereiten. Dies gilt sowohl für einzelne Anwendungen wie dem Einsatz in der Industrie und der Stahlerzeugung oder mit den Reallaboren und dem HyLand-Programm, das weltweite Vorreiter für integrierte Demonstrationsvorhaben über Sektorengrenzen hinweg vorbereitet. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerb in Anwendungen mit großen Stückzahlen wie PKW und LKW der internationale Wettbewerb gerade stark zu. Dies spiegelt sich in der Anzahl von Modellen aber auch absoluten Stückzahlen insbesondere von außereuropäischen Herstellern. Darüber hinaus werden aber auch Themen wie die großskalige Erzeugung von grünem Wasserstoff bereits von Regierungs- wie Industrievertretern an allen Standorten mit hervorragenden Potentialen wie Nordafrika, Australien oder Chile geführt. Deshalb lässt sich klar sagen, dass der Wettbewerbsdruck gerade stark zunimmt.
Dr. Annette Nietfeld: Die Realisierung der europäischen Klimaschutzziele wird nur gelingen, wenn es große Fortschritte in der Technologieentwicklung gibt, so das Ergebnis einer Studie von Deloitte. Teilen Sie diese Einschätzung und wenn ja, lassen Sie uns doch bitte wissen, in welchen Bereichen diese am dringlichsten erforderlich sind und wie wahrscheinlich es ist, dass wir diese Technologiesprünge auch erreichen.
Dr. Julius Scholz:Für die Realisierung der Klimaschutzziele ist ohne Zweifel ein Technologiesprung notwendig. Allerdings ließe sich an vielen Stellen durch die bereits heute existierende Technologie ein großer Schritt auf dem Weg dorthin machen. Die zentrale Herausforderung liegt hier eher in der notwendigen Innovation eine Integration und einen Einsatz auf der großtechnischen Skala zu ermöglichen. Schaut man sich beispielsweise die benötigten Volumina von Wasserstoff an, die die Umstellung von industriellen Prozessen von Raffinerieprozessen zu Ammoniak- und Stahlherstellung benötigt werden, wird schnell klar, dass neue Plattformen für Elektrolyse in entsprechender Größe aber auch Herstellungsprozesse für die entsprechenden Stückzahlen entwickelt werden müssen. Zusätzlich sind natürlich für die langfristige Umstellung unseres Energiesystems hin zu einem voll integrierten System mit der fortwährenden Notwendigkeit für Energieimporte darüber hinaus noch Entwicklungen beispielsweise für globale Logistikketten von großtechnischer Wasserstoffverflüssigung zu technischer Adaptation der Gasinfrastruktur notwendig. Die zentrale Botschaft sollte jedoch sein, die Technologie ist im Wesentlichen hinreichend weit entwickelt, die notwendige Innovation liegt nun in der Integration und der Skalierung der Prozesse.