Interview mit Dr. Stefan Kaufmann, MdB
Dr. Annette Nietfeld: Herr Dr. Kaufmann, Sie sind im Juni 2020 zum Innovationsbeauftragten „Grüner Wasserstoff“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ernannt worden. Welche Aufgaben sind mit dieser Funktion verbunden und welche Schwerpunkte möchten Sie setzen?
Dr. Stefan Kaufmann, MdB: Als Innovationsbeauftragter soll ich Grünen Wasserstoff in Deutschland voranbringen. Dazu arbeite ich in zwei zentralen Gremien für die Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie mit: Dem Staatssekretärsausschuss für Wasserstoff und dem Nationalen Wasserstoffrat. Der Wasserstoffrat berät die Bundesregierung bei der Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie und vereint 26 Experten aus Forschung, Industrie, Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung. Wenn Sie als einziger in diesen beiden Gremien mitwirken, wissen Sie bestens über alle Aktivitäten zum Grünen Wasserstoff in Deutschland Bescheid und können entsprechend abwägen, beraten und diskutieren. Das tue ich – und achte darauf, dass die Nationale Wasserstoffstrategie nicht zum Papiertiger, sondern möglichst rasch realisiert wird. Dafür müssen wir Wasserstoff zuerst da einsetzen, wo es keine effizienteren Alternativen gibt – und wo wir möglichst schnell positive Klima-Effekte erzielen können. Das heißt: Wir brauchen Grünen Wasserstoff zuerst in der Industrie und im Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr. Um dies zu erreichen, müssen Innovationen rasch aus den Laboren in die Anwendung kommen. Dafür braucht es verlässliche Forschungsförderung, die dazu beiträgt, Gutes noch besser zu machen, Neues zu entdecken und technologische Lücken zu schließen. Und es braucht ein Ordnungsrecht, das Innovationen fördert und Investitionen anregt. Für beides setze ich mich als Innovationsbeauftragter ein.
Dr. Annette Nietfeld: Wasserstoff ist nicht nur ein Thema des BMBF – auch andere Ministerien haben sich dem Thema angenommen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den anderen Ministerien?
Dr. Stefan Kaufmann, MdB: Das Besondere am Wasserstoff-Thema ist tatsächlich die Vielzahl der betroffenen Ressorts. Wasserstoffpolitik ist auch Umweltpolitik, weil es um Klimaschutz geht, Wirtschafts- und Verkehrspolitik, weil wir aktiv einen neuen Zukunftsmarkt mitgestalten wollen. Forschungspolitik, weil sich viele Technologien heute noch in der Entwicklung befinden. Entwicklungspolitik und Außenpolitik, weil wir langfristig auf Wasserstoff-Importe angewiesen sein werden. Energie und Klima gehen uns alle an. Dass wir dabei mitunter um die beste Lösung ringen, gehört dazu. Gerade in der Verbindung der unterschiedlichen Perspektiven sehe ich die Chance, die Transformation des Energiesystems bestmöglich zu gestalten. Ich erlebe die Zusammenarbeit derzeit als sehr konstruktiv und zielgerichtet.
Dr. Annette Nietfeld: Neben Deutschland hat auch die Europäische Kommission eine Strategie für Wasserstoff vorgelegt. Wie sieht die Zusammenarbeit mit der EU aus?
Dr. Stefan Kaufmann, MdB: Das muss Hand in Hand gehen. Deutschland unterstützt die Europäische Union beispielsweise bei der Erstellung einer Wasserstoff-Roadmap. Gleichzeitig bringt Deutschland eine eigene Roadmap auf den Weg, um auch die Synergien auf europäischer Ebene zusammenzubringen. Hier wollen wir schauen: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Wie erreichen wir unsere Ziele? Und wie ordnet sich das in den europäischen Kontext ein? Darüber hinaus wird sich Deutschland selbstverständlich in Europäischen Forschungsprojekten im Rahmen des Green Deal beteiligen. Wir können die Ziele der Nationalen Wasserstoffstrategie nur erreichen, wenn wir von Anfang an europäisch denken. Deshalb ist Grüner Wasserstoff auch ein zentrales Thema der aktuellen deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten wollen wir eine europäische Wasserstoffunion auf den Weg bringen.
Dr. Annette Nietfeld: Wo sehen Sie derzeitig Hemmnisse für innovative Wasserstoffprojekte? Wird die angekündigte EEG-Entlastung für die Wasserstoffproduktion noch in diesem Jahr kommen und wenn ja, wie wird sie ausgestaltet sein?
Dr. Stefan Kaufmann, MdB: Damit die Wasserstoffrepublik Deutschland Wirklichkeit wird, brauchen wir neben starker Forschungsförderung auch ein Ordnungsrecht, das innovations- und investitionsfreundlich ist. Bei der EEG-Novelle brauchen wir deshalb eine langfristige und verlässliche Befreiung von Elektrolysestrom von der EEG-Umlage. Gerade werden Lösungen dazu diskutiert – und ich bin zuversichtlich, dass wir hier zeitnah zu einem praktikablen Ergebnis kommen werden. Wir müssen der Industrie eine Perspektive für Geschäftsmodelle aufzeigen.
Dr. Annette Nietfeld: Im September 2020 hat das BMBF eine Machbarkeitsstudie zur Deutsch-Australischen Wasserstoffkooperation beim BDI und ACATECH in Auftrag gegeben. Was erwarten Sie sich davon?
Dr. Stefan Kaufmann, MdB: In der Kooperation mit Australien geht es vor allem um neue Erkenntnisse im Bereich des Wasserstoff-Transports von Australien nach Deutschland. Das Thema ist zentral für die Umsetzung der Wasserstoffstrategie. Wir wollen ausloten, was für den Aufbau einer Lieferkette nötig und machbar ist. Denken Sie an die Zertifizierung von Grünem Wasserstoff. Da brauchen wir ein global abgestimmtes Vorgehen, etwa mit Blick auf die Erfassung des CO2-Fußabdrucks. Deutschland wird auch in der Zukunft absehbar große Mengen unserer Energie aus dem Ausland als „grüne“ Energie importieren müssen. Dafür braucht es Partner mit Expertise und Verlässlichkeit – einen solchen haben wir in Australien gefunden. Das Vorhaben ist natürlich genauso interessant für Australien wie für uns. Wir werden hochrangige Stakeholder zusammenbringen und damit schon eine Keimzelle für zukünftige Investitionen legen. Gleichzeitig bringen wir auch national ein Leitprojekt zum Thema Wasserstofftransport an den Start. Darin werden Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft innovative Lösungen bis zur Marktreife entwickeln können.
Dr. Annette Nietfeld: Am 2. März 2021 werden Sie bei ENERGIE.CROSS.MEDIAL mitwirken. Welche Impulse erhoffen Sie sich von dieser Mitwirkung bei ENERGIE.CROSS.MEDIAL 2021?
Dr. Stefan Kaufmann, MdB: Die Pariser Klimaziele fordern Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt. Das Thema Sektorkopplung gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung. Die Veranstaltung bringt alle betroffenen Branchen auf einem Forum zusammen, um die Chancen, aber auch die Herausforderungen, zu diskutieren. Darauf freue ich mich.